Von Markus Grabenwöger und Michael Rosecker
„Paradox ist, dass die Ausweitung des Konzentrations-lager-Systems, weg von abseits gelegenen großen Hauptlagern, an denen man nicht täglich vorbeilief, in die industriellen Zentren, mitten hinein in dichtbesiedeltes Gebiet, in Kleinstädte und in die Fabriken, keinen Zuwachs an Erinnerung produziert zu haben scheint.“ (Florian Freund/Bertrand Perz 1987)
Die „Serbenhalle“ liegt mit beeindruckender Größe im Siedlungsgebiet Wiener Neustadts. Sie misst 300 m in der Länge, 70 m in der Breite und 30 m in der Höhe. Schon ihre Errichtung musste Aufsehen erregen, obwohl sich die Stadt durch den Bombenkrieg schrittweise entvölkerte. Ab 1943 diente sie schließlich als Außenstelle des Konzentrationslagers Mauthausen. Die Mühe des Verbergens hat man sich gar nicht angetan. Dem ungeachtet war das Bewusstsein über ihre Existenz und das Wissen von den Geschehnissen nach dem II Weltkrieg sehr unterentwickelt. Auch schien in den Reaktionen der Aufarbeitung nach dem Krieg, der Anschein zu entstehen, diese Halle und deren Zweck haben sich in fernen Weiten befunden und konnten daher nicht gewusst worden sein. Die verschiedenen Widerstände gegen die Errichtung der Gedenkstätte, versuchten ebenso das Nahe zu entfernen und das Große zu verbergen. So nahe und doch so fern. So groß und doch so unscheinbar. Diese Spannung von Nähe und Ferne liegt dem Konzept des Denkmals zu Grunde. Daher ist der Korpus des Denkmals eine massive Leuchtreklamen-Konstruktion, die hell erleuchtet wird.
Weiters geht das Konzept beim Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus neue Wege, um in der sich anbahnenden Zeit ohne Zeitzeugen adäquate Modelle historischer Vermittlung der nationalsozialistischen Zeit zu finden. Die individuelle Verantwortlichkeit soll genau so thematisiert werden, wie der kollektive Versuch der Realitätsverweigerung. Es gibt Botschaften, die offen beworben und uns offensiv näher gebracht werden können und dennoch wollen wir davon weder gehört noch gewusst haben!
Dem folgend wirft die der stark frequentierten Straße zugewandte Seite des Denkmals drei Behauptungen und drei Fragen auf:
Immer irgendwer! Immer irgendwo! Immer irgendwann!
Nie ich? Nie hier? Nie jetzt?
Wissen können, wissen wollen und wissen dürfen sind genauso individuelle wie gesellschaftliche Problemstellungen, die nicht nur den Umgang mit der Geschichte berühren, sondern auch aktuelle Fragen der so genannten Informationsgesellschaft aufwerfen. Wer entscheidet, wer was wann wissen muss, kann und darf? Und vor allem: Wer wird wann von wem für was verantwortlich gemacht?
Wer die Behauptungen und Fragen der Vorderseite liest, wird auch mit der Front der Serbenhalle konfrontiert, die durch den holprigen Versuch durch Nadelbäume verdeckt zu werden, dem Betrachter penetrant entgegentritt.
Der eigentliche Gedenktext ist der Halle zugewandt. Der Leser und die Leserin kehren bei dessen Lesen der Aufdringlichkeit der Serbenhalle den Rücken zu:
„In den Jahren 1943–1945 wurde von den nationalsozialistischen Machthabern hier in der so genannten Serbenhalle des Rax-Werkes, ein dem KZ-Mauthausen unterstehendes Konzentrationslager mit bis zu 1.000 Gefangenen betrieben. Diese wurden unter unmenschlichsten Bedingungen zur Rüstungsarbeit für den von den Nationalsozialisten entfesselten Weltkrieg gezwungen. Viele sind dabei um ihr Leben oder ihre Gesundheit gekommen.
Ihr Opfer bleibt unvergessen!
Möge dieses Denkmal uns immer daran erinnern, dass politische Systeme und gesellschaftliche Verhältnisse immer wieder versuchen uns zu Verbrechen zu verführen oder zu nötigen, wir selbst es aber sind, die
solche Verbrechen entweder ignorieren, dulden und tatkräftig unterstützen oder sie erkennen, bekämpfen und verhindern können.“
Mauthausen Komitee Verein Alltag Verlag
Der Leser und die Leserin werden somit über die Geschichte dieser Halle informiert und zum Gedenken angeregt. Wer die Realität der Serbenhalle erkennen will, muss sich umdrehen, also sich selbst interessieren und informieren. Unzählige Denkmäler wählten bisher Formen und Materialien, die das Leid, den Kampf, die Not und das Sterben, also die Wirklichkeit, in den Konzentrationslagern in Material, Form und Inhalt unmittelbar und monumental, vor allem auch „greifbar“ ausdrückten und unmittelbar aus sich selbst erklärten. All das wurde oft unterstrichen durch die authentische Anwesenheit von Zeitzeugen und Zeitzeuginnen.
Hier wird nun versucht den immer entfernteren Generationen einen Zugang zum Gedenken an die Verbrechen des Nationalsozialismus zu verschaffen, der ohne authentische Präsenz von Menschen der Zeit auskommen muss. Daher wollen wir einerseits durch die erleuchtete Reklame-Form neugierig machen, das Individuum anlocken und dieses durch die Notwendigkeit der „Selbstentdeckung“ des Denkmals nachhaltig erreichen. Andererseits soll hier einfach ein leuchtendes Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus ermöglicht werden.
Und wenn es dennoch niemanden interessiert, kann zumindest auch niemand von den Entfernten reklamieren, er hätte es nicht wissen können, da wir es erleuchtet und beworben haben!